Es scheint als wäre dieser Tag wie jeder andere. Stephanie Resch stand schon an unzähligen Tagen wie diesen auf Skiern. Trotzdem ist heute alles anders für das Nachwuchstalent vom WSV Strobl.
Man kann sich kaum einen schöneren Tag im Oktober vorstellen. Die Sonne geht langsam über den Berggipfeln auf und in mitten dieser schönen Szenerie des Rettenbachferners liegt diese steile Skipiste. Noch scheinen die ersten Sonnenstrahlen nicht auf den Hang, aber man kann bereits das Starthaus und einige Torstangen erkennen. Alles ist bereit für den ersten Weltcup-Riesentorlauf der Saison, die bisher größte Herausforderung für Stephanie. Hier in Sölden darf sie zum ersten Mal bei einem Weltcup-Rennen starten.
Zurück zum Ursprung
Stephanie begann bereits im Alter von vier Jahren skizufahren. „Mein Papa war der Grund weshalb ich so bald zum Skifahren angefangen habe“, sagt sie. „In seiner Jugend fuhr auch er Rennen. Er hat mir das Skifahren beigebracht“, kann sie sich erinnern. Als sie fünf Jahre alt war, begann Stephanie bei Rennen teilzunehmen. Sie kann sich auch noch an ihren ersten Sieg erinnern: „Ich war sechs und war gerade in die Schule gekommen, als ich das Schulrennen gewann“, erzählt sie lächelnd. Seither hat Stephanie etwa 20 Rennen gewonnen.
Langsam erwacht der Gletscher in Sölden und mit ihm das Stadium an der Ziellinie. Moderatoren, Organisatoren und Medialeute beginnen mit dem Aufbau ihres Equipments. Stephanie ist jetzt 19 Jahre alt und nimmt heute an ihrem erste Weltcup-Rennen teil. „Als ich klein war, hab ich immer davon geträumt eine Skifahrerin zu werden. Ich wollte immer wie Marlies Schild sein.“ Es scheint, als könnte sie ihre Chance noch nicht richtig realisieren. Um ihren Traum wahr zu machen, besucht Stephanie momentan die Skihandelsschule in Schladming. Allerdings war sie dieses Jahr erst zwei Wochen in der Schule, das Training geht eindeutig vor.
Besonderes Training für besondere Resultate
Stephanie zieht sich ihre Skier an. Es ist an der Zeit sich Einzufahren, die Piste und die heutigen Verhältnisse kennenzulernen. Sie fährt mit dem Rest ihres Teams den Berg hoch. „Da wir viel Zeit miteinander verbringen stehen wir uns sehr nahe. Natürlich gibt es ab und zu kleine Streitereien, aber generell bin ich froh ein Teil von diesem tollen Team sein zu dürfen“, sagt Stephanie. Seit dem letzten Jahr ist sie mit dem C-Kader des ÖSV unterwegs.
Als Kind trainierte Stephanie mit dem WSV Strobl. Von 2006 bis 2011 hatte sie, gemeinsam mit ihren Geschwistern und einigen andern Nachwuchsskifahrern aus Strobl, einen Privattrainer. Die Möglichkeit mehr zu trainieren als andere schätzt sie noch heute: „Ich denke das Training damals war sehr wichtig und hat auch zu meiner jetzigen Form beigetragen.“
Vor drei Jahren waren Stephanies Ergebnisse dann gut genug, um in den Salzburger Landesskiverband (SLSV) zu kommen. „Von da an wurde alles viel professioneller, vor allem das Krafttraining“, erklärt Stephanie. Als sie zum ÖSV kam wurde das noch mehr – momentan steht sie an fünf Tagen die Woche auf Skiern. Dazu kommen Krafttraining und Videoanalysen. Alles in allem kommt Stephanie auf etwa 200 Schneetage im Jahr. „Heuer begannen wir mit dem Skitraining Mitte Juli und im August war ich zum dritten Mal in Neuseeland. Dort können wir sehr früh unter sehr guten Bedingungen trainieren“, erklärt sie.
Reisen gehört zum Leben einer Nachwuchsrennläuferin dazu. Stephanie war nicht nur in Neuseeland um skizufahren, sondern auch in Schweden, Norwegen, Italien, Slowenien, Deutschland und natürlich in ganz Österreich. Doch obwohl sie schon an vielen Orten war, Zeit für Sightseeing bleibt aufgrund ihres Trainingsplans kaum. „Ich bin kaum zu Hause“, sagt sie „aber das ist nicht sehr schwierig für mich. Natürlich freue ich mich jedes Mal, wenn ich wieder nach Hause komme. Aber ich freue mich auch immer auf den nächsten Trainingskurs.“ Folglich lebt Stephanie sprichwörtlich aus ihrem Koffer. „Ganz ehrlich?! Ich mag das“, lacht sie.
Am Weg zur professionellen Skifahrerin
Mittlerweile ist sie an das Reisen gewöhnt, ebenso wie an das Training und an die Rennen. Und obwohl sich die Vorbereitungen für ihr erstes Weltcup-Rennen nicht zu denen für ein anderes Rennen unterscheiden, scheint alles anders zu sein. Bei der Laufbesichtigung stehen Stephanie ihre beiden Trainer, Tom Trinker und Sepp Weißenbacher, zur Seite. „Sie sind nicht nur meine Trainer. Ich kann mit allem zu ihnen kommen – sie sind wichtige Bezugspersonen für mich“, sagt Stephanie.
Die Zeit verrinnt, die Sonne scheint nun auf den Steilhang und viele Zuschauer haben bereits das Zielgelände erreicht. Stephanie checkt ihr Equipment und macht mit ihren Vorbereitungen weiter. Sie startet hauptsächlich bei Slaloms und Riesentorläufen. „Ich fahre auch Super-Gs, aber die sind mehr zum Spaß. Im Allgemeinen fokussiere ich mich auf Slalom und Riesentorlauf“, sagt Stephanie über ihre technischen Vorlieben. Seit sie beim ÖSV ist ist auch die Finanzierung um einiges einfacher geworden. „Raiffeisen ist mein Kopfsponsor und mein Papa hat mir ein Auto gesponsert“, sagt sie glücklich. Außerdem stellt der ÖSV die Kleidung zur Verfügung und Rossignol sponsert das Ski-Equipment.
Das Erste Weltcup-Rennen
Das Rennen hat begonnen. Frederica Brignone, die mit Startnummer eins ins Rennen ging, führt nach zehn Läuferinnen. Es scheint ein spannendes Rennen zu werden, selbst wenn die Italienerin schwer zu schlagen sein wird. Stephanie ist nun etwas angespannt. Sie beginnt mit Aufwärmübungen und der Trainer gibt ihr die letzten Anweisungen via Funk. Aus Unbeschwertheit und Heiterkeit wurde höchste Konzentration und leichte Nervosität. Das ehrgeizige Nachwuchstalent ist nur mehr auf das Rennen fokussiert. Auch wenn man es nicht erwarten kann, ist es ihr Ziel, im zweiten Durchgang dabei zu sein.
Es ist an der Zeit die Ski anzulegen. Sepp Weißenbacher weicht Stephanie am Weg zum Starthaus nicht von der Seite. Der Piep-Ton beginnt und Stephanie stößt sich kräftig aus dem Start. Sie erwischt die ersten paar Tore ziemlich gut, doch am Beginn des Steilhangs macht sie einen Fehler und stürzt. Sie rutscht den Hang hinunter. Game over.
„Es war wirklich cool! Ich hatte ein gutes Gefühl. Ich bin nicht zu sehr enttäuscht, dass ich ausgefallen bin. Das kann bei jedem anderen Rennen auch passieren“, sagt Stephanie nach ihrem Sturz.
Unterstützung als Grundlage
Ihre Familie wartete an der Ziellinie, gespannt und aufgeregt. „Meine Familie hat mich immer unterstützt. Sie haben es mir erst möglich gemacht eine Karriere als Skifahrerin anzustreben“, sagt Stephanie dankbar. Nicht nur ihre Familie, etwa 50 Menschen aus Strobl kamen zum Rennen um sie zu unterstützen. „Ich hab´ nicht gewusst, dass es so viele sein würden. Aber irgendwie macht es dich stolz, wenn du weißt, dass dich so viele Menschen unterstützen“, sagt sie. Doch nicht alle Freunde brachten dieses Verständnis von Anfang an auf. „Wenn du noch sehr jung und nicht so gut bist, ist es manchmal schwierig zu erklären warum du bei einer Party nicht dabei sein kannst. Aber ich denke jetzt, nach meinem Start in Sölden, verstehen alle sehr gut, dass es sehr schwer ist, da hin zu kommen wo ich hin will.“
Um ihren Traum komplett zu erfüllen hat Stephanie zwei Wünsche: „Es wäre perfekt, wenn es so weitergeht wie bisher. Und natürlich ist es das Wichtigste für einen Sportler unverletzt zu bleiben.“